Eine Klassenfahrt oder auch eine Lesenacht – wer längere Zeit mit seinen Schülern verbringt, der bemerkt schnell die Eigenarten der Kids. So zum Beispiel über das Essverhalten: um unsere Lesenacht so gemütlich wie möglich zu machen, haben wir nicht nur den Klassenraum liebevoll hergerichtet und mit großer Sorgfalt Bücher ausgewählt, sondern mithilfe der Eltern auch einen kleinen Abendsnack organisiert (es sollte ja niemand von Magenknurren aufgeweckt werden). Im Voraus haben wir uns auf einen gesunden Snack geeinigt und so gab es Gemüsesticks, Dip und Nüsse.
Das Ganze wurde sehr dankbar von den meisten Jungen und Mädchen angenommen – zumindest die Lebensmittel, die sie kannten. Die lilafarbenen Möhren erfreuten sich weniger Beliebtheit. Das Motto „Was ich nicht kenne, esse ich nicht!“ galt allerdings nicht für neue Gummibärchen oder eine unbekannte Sorte Schokoleckereien. Auch die gab es – allerdings sehr limitiert – im Angebot. Ich kann mir die Frage, ob der süße oder der „gemüsige“ Teller zuerst leer war, wohl sparen. Das Ergebnis wäre wohl in vielen Klassen gleich. Das liegt sicherlich daran, dass die Kinder durch die vertrauten Verpackungen der Süßigkeiten gelockt werden.
Am nächsten Morgen gab es die Chance, einmal eine neue Frühstücksvariante auszuprobieren und für mich gleichzeitig Lektion zwei zum Thema „Neues probieren? Lieber nicht!“. Dank der netten Zusammenarbeit mit 3bears boten wir den Kindern Porridge an – meine Oma sagte dazu immer Haferschleim, was nur halb so lecker klingt. Da ich Porridge mittlerweile wieder für mich entdeckt habe und gern mal als sättigendes und leckeres Frühstück zu mir nehme, war ich überrascht über die Reaktion der Kinder. Sie konnten ihren Brei selbst mit Schirmchen oder bunten Maispops dekorieren oder ein fertiges Exemplar naschen. Zudem waren die Sorten aus meiner Sicht gut ausgewählt, denn es gab sowohl die Geschmacksrichtung "Mohnige Banane", sowie "Zimtiger Apfel" - beide von mir getestet und für lecker befunden.
Es zeigte sich, dass für viele Kids eher die bunte Deko ein Trigger war. Sie hatten am Eisschirmchen Interesse, merkten aber recht schnell, dass der Porridge nicht so süß ist, wie sie das von Müsli, Eiscreme und Joghurt oft kennen. Auch wenn der Haferschleim mit ungesüßtem Fruchtmus verfeinert werden konnte, waren sie eher zurückhaltend. Einige Kinder zeigten mehr Offenheit, aber nur wenige konnten sich komplett auf das Frühstücksexperiment einlassen (Ich freute mich wie ein Schneekönig über jeden, der gern noch ein Glas wollte J).
Dieses Erlebnis hinterließ bei mir ein großes Fragezeichen. Waren doch die neuen Gummibärchen im Vergleich zum Porridge weggegangen wie warme Semmeln. Ein möglicher Schlüssel zum Ergebnis ist vielleicht der Zucker. Dazu muss man wissen, dass Zucker auf das Belohnungssystem in unserem Hirn einwirkt. Dieser Bereich ist gleichermaßen jedoch das Suchtzentrum. Wenn wir also etwas finden, was unser Belohnungssystem aktiviert, wollen wir schnell mehr davon – mehr Gummibärchen, mehr Schokobrotaufstrich… . So entwickelt sich mancher zu einem echten Zucker-Junkie und daher auch das Wort Junk-Food. Nicht umsonst führt ein Zuckerverzicht zu Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen und schlechter Laune.
Neben dem Zucker spielt bei dem Frühstücksexperiment sicherlich auch die Furcht vor Unbekanntem eine Rolle. Ich bin damit aufgewachsen, dass meine Oma uns manchmal morgens Haferschleim kochte und das wir immer wieder neue bunte Obst- und Gemüsespieße zum Naschen bekamen. Doch was steht bei den Kids heute auf dem Speiseplan?! Bei vielen liegen belegte Brote in der Brotdose, bei anderen süße Snacks oder auch das gute alte Toastbrot. Die Gewohnheiten, die Zuhause gepflegt werden, setzen sich oft in der Schule fort. Wenn selten Neues auf den Tisch kommt, sind Kinder auch weniger empfänglich dafür. Ein Experiment zeigte, dass Kinder neuen Lebensmittel (im speziellen Fall ging es um Gemüse) offener gegenüber sind, wenn diese täglich angeboten und auch von den Eltern gegessen sowie gelobt werden. Es heißt also weiterhin über gesunde Lebensmittel zu sprechen, ohne sie zur Pflicht zu machen. Manchmal hilft auch eine optisch ansprechende Aufbereitung oder einfach ein Schulkamerad der mit großem Appetit in die violette Möhre beißt.